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Das Golem in Braunschweig
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Die Discothek und Kneipe Golem dürfte der erste
Alternativ-Rock-Schuppen in Braunschweig gewesen sein. Der Laden befand sich zwischen ca.
1972 und 1979 in der Wendenstrasse. 62 oder 63. Meine Erinnerung ist nach über 25 Jahren
schon etwas verblasst, vielleicht weiß noch jemand anderes mehr?
Es war ein kleiner, ziemlich abgewrackter Laden. Bis Anfang der 1970er Jahre musste hier
wohl schon mal eine andere Kneipe drin gewesen sein. Von deren Einrichtung gab es
allenfalls noch Fragmente. Dieses Abbruch-Ambiente hatte durchaus seinen
Charme: Songs wie Aufm Bahnhof Zoo von Nina Hagen klangen hier besonders
überzeugend.
Im vorderen Bereich befanden sich die Theke und einige Stehtische.
Gleich bei meinem ersten Besuch stellte sich ein junger Mann neben mich an den Stehtisch
und schaute mich mit fragenden Augen an, ohne etwas zu sagen.
Während ich noch rätselte, was er wohl von mir wollte, ging er nach einigen Minuten weg.
Erst später erfuhr ich: Hier wurden auch Drogen verkauft und der Eingang angeblich auch
immer mal wieder aus einer konspirativen Wohnung vis-a-vis von der Polizei beobachtet.
Im Golem selbst tauchten sie aber bei meinen Besuchen nie auf.
Durch einen schlauchförmigen Gang, ich taufte ihn später
U-Bahn-Baustelle, kam man an die kleine Tanzfläche, die mit einer
glänzenden Blechplatte markiert war.
Der DJ stand in einem kleinen Sépareé aus Holz. Hinter ihm war ein Regal mit jeder Menge
Langspielplatten.
Das Licht war sehr spärlich, so dass man in eine wunderbar schummerige Atmosphäre
eintauchen konnte.
Als ich 1978 erstmals von einem Freund mit in den Laden genommen wurde, staunte ich über
die für mich fremden Klänge, die sich mir bei weiteren Besuchen allmählich erschlossen.
Sie waren rockig, psychedelisch oder elektronisch. Heute erinnere ich mich noch an Titel
wie Time Has Come Today von den Chambers Brothers oder
L´Obsession D´Archibald von Space Art. Als letztes Stück vor dem Feierabend
lief mitunter der Song For Guy von Elton John.
Jeder tanzte für sich allein, was ich im ersten Moment merkwürdig fand. Doch schnell
entdeckte ich die Vorteile: Ich brauchte nicht erst nach einer Tanzpartnerin zu suchen und
mich mit ihr einigen, ob sie den Titel auch tanzenswert fand. Spontan und individuell
betrat oder verließ man den Tanzboden.
Durch den Laden wuselte immer ein Faktotum: Ein hagerer, kleiner Gläsersammler. Er
gehörte quasi zur festen Einrichtung wie viele Stammgäste. Einen sah ich noch knapp 20
Jahre später in der Nachfolgedisco dieses Ladens und fühlte mich ein bisschen an den
Film Und ewig grüßt das Murmeltier erinnert.
und warten bis die Zeit vergeht
, Zitat aus dem Song Déjà
Vu von der Band Spliff.
Wir nutzten das Golem bald als Treffpunkt unserer ganzen Clique. Meistens
fuhren wir dann weiter in andere Läden im Umkreis von ca. 50 km, um dann mitten in der
Nacht wieder hierher zurückzukehren.
Mit zeitlichem Abstand von fast 3 Jahrzehnten stelle ich fest: Wir waren rastlos auf der
Suche nach uns selbst, nach dem Glück, der großen Liebe, nach dem Leben. Und wir suchten
es vor allem dort, wo wir gerade nicht sein konnten. Die Clique aber gab auch Geborgenheit
und Lebensfreude. Einige sind heute vergessen, andere Freunde fürs Leben geworden.
Das Golem schloss ca. 1979 seine Tür für immer, weil der Mietvertrag nicht
verlängert wurde. Einige Zeit später machte Pächter Bömmel einen
Nachfolgeladen am Giseler Wall / Ecke Güldenstr. in Braunschweig auf: Das
Panocpticum. Es war deutlich größer und musikalisch vielseitiger. Heute
heißt der Laden Merz und im selben Gebäude befinden sich diverse andere
Discos, die diverse Geschmäcker abdecken. |
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